Was ist neu durch den digitalen Wandel?

Vor der Entwicklung sozialer Medien und des Internets war Öffentlichkeit stark hierarchisch aufgebaut. Das heißt, vor allem Journalist*innen bestimmten, was in Radio, Print und Presse kam, und diese Massenmedien waren auch die einzigen mit großer Reichweite (Gerhards/Neidhardt 1990). Spätestens seitdem jede*r von uns mit bezahlbaren internetfähigen Endgeräten ins Internet kam, hat sich das fundamental geändert. Veröffentlicht wird nicht mehr nur, was Journalist*innen als relevant ansehen, sondern was die User*innen von Apps wie Instagram, Snapchat oder TikTok kommunizieren möchten (vgl. Katzenbach 2017). Im Ergebnis wurde die mediale Öffentlichkeit nicht nur vielfältiger, sondern auch unbestimmbarer und dynamischer. Kommunikationsprozesse sind nicht mehr top-down, sondern wechselseitig und verwoben: Von Journalist*innen zu ihren Publika, von Publika zu Journalist*innen und zwischen den Publika und User*innen selbst. Die Verläufe von Themen sind schlechter vorhersehbar, Shitstorms aus sozialen Medien bringen einzelne Inhalte auch in die Massenmedien und Konflikte können schnell eskalieren. In der Medienforschung wird das als performative Öffentlichkeit bezeichnet (Lünenborg et al. 2020)  

Abb. 10, Symbolbild digitale Medien, Quelle

Welchen Einfluss die Performativität von Öffentlichkeiten auf die Verhandlung von Konflikten hat, wird deutlich, wenn genauer darauf geschaut wird, welche Erscheinungsformen der Konfliktverhandlung auftreten und wie diese zusammenhängen. Hilfreich ist es, bei den Aushandlungsformen von Konflikten zum einen auf unterschiedliche Ausprägungen von Sachlichkeit, Emotionen und Gewalt zu achten. Diese drei zu beachten, ermöglicht es, sowohl den Ansatz von Habermas als auch von Mouffe zu integrieren. Zum anderen lassen sich vier verschiedene Aushandlungsformen von Konflikten unterscheiden: Diskussion, Konkurrenz, Streit und Kampf. Für alle vier lassen sich Beispiele im alltäglichen Medienhandeln finden.