Wer hat's gesagt?
„Die westlichen kapitalistischen Staaten sind es nämlich, die seit jeher die dritte Welt brutal ausbeuten und #Diktatoren unterstützen, damit sie selber im Wohlstand leben können.”
Richtig!
Leider Falsch. Die richtige Antwort wäre "Generation Islam".
Die Gruppe Generation Islam (GI) wird wegen ihrer Nähe zur Hizb ut-Tahrir (HuT) als islamistisch eingestuft. Das Ziel der sehr aktivistischen Bewegung HuT ist es, einen modernen, islamischen Staat als Alternative zu Kapitalismus und säkularer Demokratie zu errichten. Der Hizb ut-Tahrir wird vorgeworfen, zur Gewalt aufzurufen, daher ist sie in Deutschland seit 2003 verboten.
Neben außenpolitischen Themen behandelt Generation Islam in den u.a. auf Instagram, Facebook und YouTube veröffentlichten Beiträgen besonders die Diskriminierungserfahrungen von Muslim*innen in Deutschland.
Die Gruppe hat 67.100 Abonnent*innen auf YouTube, 66.700 Follower*innen auf Instagram und 72.486 auf Facebook (Stand 28.02.22).
Welche Aussagen stecken in dem Zitat?
In dem Zitat kritisiert GI das kapitalistische System und wie dieses dazu beiträgt, dass die Länder des globalen Südens von westlichen Ländern ausgebeutet werden. Generation Islam verweist in dem Zitat auf Armut und Ausbeutung in den Ländern des globalen Südens als Folge der Weltwirtschaftsordnung. Sie verwendet ein pauschales (Opfer-)Narrativ, nach dem „der Westen“ „die Muslime“ überall auf der Welt unterdrücke und nur die Gemeinschaft „der Muslime“ Schutz gegen die Ausbeutung „des Westens“ biete und sich „dem Westen“ widersetzen könne.
Was sagen Rechtsextremist*innen zu diesem Thema?
Auch rechte und rechtsextreme Strömungen geben sich kapitalismuskritisch und versuchen zum Beispiel die soziale Frage zu besetzen, indem sie auch sozialpolitische Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum und lebenswürdiger Absicherung im Alter stellen. Allerdings gelten diese nur für leistungsstarke und national zugehörige Menschen.Kritisiert wird dabei ein vermeintlich „ausländisches Kapital“, das den Interessen der Nation entgegenarbeite, während ein „nationales Kapital“ der Nation diene.
Wo liegt das Problem?
Die von Generation Islam geäußerte Kritik an ungerechter Ressourcenverteilung und globalen Ausbeutungsverhältnissen ist durchaus legitim. Tatsächlich profitieren westliche Länder und Unternehmen von den Ressourcen und der Arbeitskraft der Menschen aus dem globalen Süden. GI geht es allerdings nicht um globale Gerechtigkeit und die Bekämpfung von Armut weltweit, sondern ihre Kritik dient einer pauschalen Abgrenzung gegenüber dem Westen und der Konstruktion einer muslimischen Gemeinschaft, die von „dem Westen“ bedrängt und bekriegt wird.
In der Argumentation wird zudem zwischen Islam und Kapitalismus unterschieden. Der Vergleich hinkt aber. Denn bei der Konstruktion von ‚muslimisch vs. kapitalistisch-westlich’ werden unterschiedliche Kategorien miteinander verglichen und vermischt. Muslimisch und andersgläubig ist eine religiöse Einteilung. Kapitalistisch und nicht-kapitalistisch beschreibt das Wirtschaftssystem von Gesellschaften. Die Kategorie kapitalistisch gehört nicht automatisch zu westlich oder schließt die Kategorie muslimisch aus. Unfaire Ressourcennutzung gibt es nämlich unabhängig von Religionen.
Was kannst du tun?
Wenn du selbst etwas gegen die ungerechte Verteilung von Ressourcen und Reichtum tun willst, kannst du zum Beispiel über dein Konsumverhalten nachdenken. Beispielsweise kannst du, bevor du ein neues Handy kaufst, nachforschen, wie dein Handy eigentlich produziert wurde: Wie fair wurden die Arbeiter*innen entlohnt? Welchen Arbeitsschutz haben sie erfahren? Das Gleiche gilt für Kleidung oder Lebensmittel, die du kaufst.
Auch auf politischer Ebene kannst du dich einbringen, indem du dich für globale Perspektiven stark machst. Ein Beispiel dafür ist die weltweite Bewegung Fridays for Future, die durch Streiks auf klimapolitische Missstände aufmerksam macht und Maßnahmen für den Klimaschutz fordert – weil die ganze Welt vom Klimawandel betroffen ist. In ähnlicher Form kann man sich auch bei Online-Kampagnen, Demonstrationen oder Veranstaltungen für globale Themen engagieren.
Mehr Texte und Videos zum Thema
Was tust Du, während andere Muslime leiden?
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Weiterführende Links
Was sind Narrative überhaupt?
Narrative sind in aller Munde. Ob in Politik, in den Medien oder in der Psychologie: Überall wird von Narrativen gesprochen. Aber was sind Narrative und was haben sie mit Extremismus zu tun?
Die meisten Menschen begegnen Narrativen das erste Mal in Kinderbüchern, Comics, Liedern, Spielfilmen oder Computerspielen – immer gibt es spannende Geschichten, die uns in andere Leben, Zeiten und Welten mitnehmen. Denn Narrative bezeichnen zunächst einmal die einzelnen, miteinander verbundenen Handlungsstränge einer Geschichte.
Der englische Schriftsteller E. M. Foster macht den Unterschied zwischen einer auf Fakten basierten Geschichte und einer Handlung mit einem Beispiel deutlich. In dem Satz „The king died, and then the queen died“ (Der König starb und dann starb die Königin) werden zwei Ereignisse geschildert, die auch unabhängig voneinander passiert sein können. Doch in dem Satz „The king died, and then the queen died of grief“ (Der König starb und dann starb die Königin vor Gram) erfahren wir einen Grund, der beide Ereignisse miteinander verbindet. Was erzählt wird, was ausgelassen wird und welchen Ereignissen wie viel Raum gegeben wird, das ist ausschlaggebend dafür, wie wir die Ereignisse wahrnehmen.
Narrative werden aber nicht nur in Unterhaltungsmedien genutzt. Sie nehmen besonders im politischen Denken und in öffentlichen Diskussionen eine zentrale Stellung ein. Denn in ihnen stecken oft überzeugende und motivierende Geschichten, die Geschehnissen einen Sinn geben. Sie ermöglichen es uns, schwierige und komplizierte Zusammenhänge zu verstehen. Sie beeinflussen unser Bild von uns und von anderen. Sie können darüber hinaus dazu beitragen, dass wir uns als Teil einer Gruppe verstehen – oder eben auch nicht. Kurzum: Narrative haben Einfluss auf unsere Weltsicht.
Und was hat das jetzt mit Extremismus zu tun?
Angesichts der Wirkweise von Narrativen ist es wenig überraschend, dass auch populistische oder extremistische Personen oder Gruppierungen Narrative nutzen, um ihre rassistische, sexistische oder menschen- und demokratiefeindliche Weltsicht in die Öffentlichkeit zu bringen. Narrative erfüllen damit eine wichtige ideologische Funktion.
Oftmals sprechen Narrative Themen an, in denen Gesellschaftskritik oder Fragen zu Werten und Religion, Identität und Zugehörigkeit, Gender und Pluralismus angesprochen werden. In Form von Brückennarrativen können sie sowohl in politischen Randgruppen wie auch im gesellschaftlichen Mainstream anzutreffen sein. Narrative verbinden extremistische politische Spektren mit der Mitte der Gesellschaft. Dies zu erkennen ist jedoch nicht immer leicht.
Autor*innen
Das Quiz ist im Rahmen des außeruniversitären Bildungsangebots „MasterClass: Präventionsfeld Islamismus“ der Bundeszentrale für politische Bildung entstanden. Es ist das Abschlussprojekt der Arbeitsgruppe von Nicole Bopp, Merve Genç, Pirkko Jahn, Sarah Müller und Bence Zámbó. Betreut wurden sie von Maral Jekta (ufuq.de).
Die Inhalte, Aussagen und Themensetzungen dieses Angebots liegen in der Verantwortung der Arbeitsgruppe. Sie wurden in redaktioneller Autonomie gestaltet und spiegeln die Meinung der Autor*innen wider und repräsentieren nicht notwendigerweise die Meinungen und Standpunkte der Bundeszentrale für politische Bildung.