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Wer hat's gesagt?
„Ein neuer Schritt in Richtung Wertediktatur! Der deutsche Staat finanziert und baut das Osnabrücker Islamkolleg auf, in dem „Imame“ ausgebildet werden sollen, die künftig in (…) Moscheen predigen und vorbeten werden. Offensichtlich ist hierbei das Ziel einen „Islam“ zu kreieren, der an das deutsche Wertemodell „angepasst“ werden soll! Lasst uns alle gemeinsam unsere Stimmen gegen eine drohende Wertediktatur erheben!“
Richtig!
Leider Falsch. Die richtige Antwort wäre "Realität Islam".
Die Gruppe Realität Islam (RI) erfreut sich seit der in 2018 gestarteten Petition gegen ein potenzielles Kopftuchverbot für Mädchen relativ großer Bekanntheit. Auf YouTube, Facebook und Instagram behandelt die Initiative vor allem gesellschaftliche und politische Themen, die für Jugendliche relevant sind. Doch auch offline treten Gruppenmitglieder mit lebensweltbezogenen Botschaften an Jugendliche heran.
Ähnlich wie die Initiative Generation Islam wird die Organisation im Umfeld der Hizb ut Tahrir (HuT) verortet. Die HuT ist in Deutschland seit 2003 unter anderem wegen Aufrufen zur Vernichtung Israels und zur Tötung von Juden und Jüdinnen verboten.
Auf Facebook hat Realität Islam 44.645, auf Instagram 23.100 Follower*innen. Der YouTube-Kanal wird von 18.200 Personen abonniert (Stand:28.02.2022).
Wo liegt das Problem?
Realität Islam (RI) kritisiert in diesem Facebook-Post die staatliche Unterstützung des Islamkollegs. Die Aussage konstruiert ein Szenario, in dem der „wahre Islam“ durch den deutschen Staat verändert würde. Die Gruppe unterstellt dem Staat, mit diktatorischen Maßnahmen die “eigenen” Werte durchzusetzen. Ebenso wird die Partizipation von Muslim*innen hier negativ dargestellt und eine soziale Distanz zur Mehrheitsgesellschaft oder staatlichen Institutionen propagiert.
Was sagen Rechtsextremist*innen dazu?
Auch rechtspopulistische und -extreme Akteure und Gruppen sprechen häufig von einer vermeintlichen “Wertediktatur”, die vom Staat durchgesetzt würde. So etwa, wenn es um den Einsatz diskriminierungsfreier Sprache geht.
Wo liegt das Problem?
Die Aussage baut ein Bedrohungsszenario auf: Der Islam werde vom deutschen Staat ausgelöscht. Damit geht die Vorstellung einher, dass es den einen, richtigen und wahren Islam gibt – obwohl sich Religionen und auch der Islam über die Geschichte immer weiterentwickelt und ausdifferenziert haben. Die Gruppe stellt dem vermeintlich „wahren Islam“ einen falschen gegenüber, den der Staat selbst schafft und der den westlichen Werten unterworfen sei. Natürlich kann man das Verhältnis von Staat und Religion kritisieren und das hat in Deutschland auch eine lange Tradition.
Gerade in Demokratien werden Werte immer wieder neu abgewogen und ausgehandelt. Manchmal stehen sich die Werte auch gegenseitig im Weg. Dann muss man entscheiden, was wichtiger ist, so wie beim Kopftuchstreit: Einerseits darf in Deutschland niemand gehindert werden, seine Religion auszuüben – andererseits muss der Staat neutral bleiben. Das führt zum Beispiel zu Diskussionen darüber, ob Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen. Auch über das Aufhängen von Kreuzen in Klassenzimmern gab es nach dem Kruzifix-Beschluss, wie es in Bayern lange üblich war, einen ähnlichen Streit.
Was sagen?
Ein kritischer Blick auf die Neutralität des säkularen Staates in Glaubensfragen ist durchaus gerechtfertigt. Tatsächlich ist eine Dominanz christlich geprägter Werte auf die Gesetzgebung erkennbar. Doch Demokratien befinden sich in einem fortwährenden Aushandlungsprozess und Abwägen über die Gewichtung von verschiedenen Werten in der Gesellschaft. So gibt es Debatten um die Stellung von Freiheit und Gleichheit in der Gesellschaft oder die Priorisierung von Religionsfreiheit gegenüber der staatlichen Pflicht zur Neutralität in Glaubensfragen. Religiöses Leben in Deutschland ist vielfältig. Menschen können ihre Religion so konservativ oder progressiv ausleben, wie sie wollen.
Was tun?
Manchmal reicht es, durch Fragen zu irritieren und zum Nachdenken anzuregen: Was sind überhaupt „deutsche Werte“? Wie unterscheiden sie sich von „islamischen Werten“? Und gibt es überhaupt „den Islam“ oder „die deutsche Leitkultur“? Und wie steht es um Menschen, die sowohl das eine als auch das andere sind?
Du kannst in Diskussionen dein Gegenüber auch an die Vielschichtigkeit der eigenen Identität erinnern. Was macht dich aus? Welche multiplen Zugehörigkeiten hast du? Menschen werden durch verschiedene Eigenschaften und Zugehörigkeiten geprägt. Ähnlich ist es mit Religionen wie dem Christentum oder dem Islam. Die Glaubensinhalte sind ständigen Interpretationsprozessen unterworfen und niemals eindeutig und klar.
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