Sind junge Menschen islamophob?

Auch wenn junge Menschen nicht die zentralen Akteur*innen von antimuslimischem Rassismus sind, ist Islamfeindlichkeit die unter ihnen am weitesten verbreitete Ungleichwertigkeitsideologie [2].  Sie greifen mediale Bilder und gesellschaftliche Stereotype auf und übernehmen abwertende und homogenisierende Ansichten. Insbesondere stellte die Studie fest, dass viele der befragten jungen Menschen stark vereinheitlichend über den Islam und Muslim*innen sprechen. Dabei verwenden sie „den Islam“ als Zuschreibung für das „kulturell Fremde“. Muslim*innen werden so als „Andere“ konstruiert, von denen sich die jungen Menschen abgrenzen.

Aber auch kritische Perspektiven auf antimuslimischen Rassismus werden in den Aussagen einiger junger Menschen deutlich. Sie hinterfragen mediale Darstellungen und gesellschaftliche Diskriminierungen und solidarisieren sich mit Muslim*innen in ihrem Freundeskreis und persönlichen Umfeld.

Welche islamfeindlichen Narrative sind
verbreitet?

Die Studie erforscht außerdem, innerhalb welcher Themenbereiche oder Narrative sich die islamfeindlichen Ansichten junger Menschen bewegen. Besonders weit verbreitet ist das Narrativ der Unterdrückung von Frauen: Viele der Befragten waren der Ansicht, dass der Islam und die Lebenswelt von Muslim*innen von patriarchalen Geschlechterverhältnissen geprägt seien. Eher wenig verbreitet ist hingegen das Gefühl einer Bedrohung der eigenen Identität durch den Islam und Muslim*innen. Auch sind Ängste vor Islamismus und Terrorismus sowie die Vorstellung einer Art muslimischer „Parallelgesellschaft“ unter jungen Menschen eher gering ausgeprägt.

Schützt Wissen vor Islamfeindlichkeit?

Abb. 2, Wissen über die Lebensrealität von Muslim*innen wird vor allem in persönlichen Begegnungen erworben Quelle

Die Studie unterscheidet zwei Arten von Wissen über den Islam: Wissen über die islamische Glaubenslehre und Wissen über muslimische Lebenswirklichkeit. Die befragten jungen Menschen hatten zwar einige Kenntnisse über den Islam als Glaubenslehre, wussten aber weitaus weniger über die Lebenswirklichkeit von Muslim*innen in Deutschland. Die Studie zeigte unterschiedliche Konsequenzen für die beiden Wissensarten.

Wissen um die Lebensrealität wirkt sich positiv auf die Einstellungen der jungen Menschen aus: Je mehr „Wissen“ über die Lebenswirklichkeit von Muslim*innen vorhanden ist, desto geringer ist die Ablehnung von Muslim*innen und Islam. Nur Wissen über den Islam als Glaubenslehre zu erwerben, ohne sich mit der Lebensrealität von Muslim*innen auseinanderzusetzen, „schützt“ jedoch nicht vor islamfeindlichen Einstellungen. Stattdessen scheint es sie in Teilen eher zu verstärken. Viele Jugendliche leiten aus theologischem Wissen über den Islam pauschale Vorstellungen von der Lebenspraxis der Muslim*innen ab. Wissen schützt also nicht in jedem Fall vor Islamfeindlichkeit, sondern es kommt auf die Art des Wissens an.

Persönliche Beziehungen führen zu
Solidarisierung

Einige der Jugendlichen reflektieren aber auch rassistische Unterscheidungen und solidarisieren sich mit Muslim*innen. Einerseits geschieht dies, wenn Ähnlichkeiten erkannt werden, andererseits durch Reflexion und Entlarvung von rassistischen Äußerungen, Vereinheitlichungen und islamfeindlichen Stereotypen, zum Beispiel in der Medienberichterstattung. So stimmen knapp drei Viertel der Befragten der Aussage zu, die Medien würden alle Muslim*innen „in einen Topf“ werfen.

Abb. 3, Junge Menschen solidarisieren sich mit Muslim*innen in ihrem Freundeskreis Quelle

Persönlicher Kontakt zu Muslim*innen trägt allgemein zur Verringerung von Vorurteilen und negativen Einstellungen bei. Damit bestätigen die Ergebnisse der Studie andere Forschungen zur sogenannten „Kontakthypothese“. Jedoch spielt dabei auch die Art des Kontakts eine Rolle: So sind enge Beziehungen im Freundeskreis eher dazu geeignet, Vorurteile abzubauen, als oberflächliche Begegnungen in Schule oder Nachbarschaft.

Pädagogische Ansatzpunkte – ein Ausblick

Islamfeindlichkeit stellt eine Herausforderung für unsere Gesellschaft und deren Zusammenhalt dar. Umso wichtiger ist es, der Übernahme islamfeindlicher Einstellungen bereits im Jugendalter entgegenzuwirken. Die Studie greift die Schule als wichtigen Ort heraus, an dem eine kritische Auseinandersetzung mit Islamfeindlichkeit und anderen Ideologien gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stattfinden kann. Dafür werden pädagogische Ansatzpunkte erarbeitet. Diese reichen von einer kritischen Auseinandersetzung mit der medialen Berichterstattung über das Sichtbarmachen muslimischer Diversität hin zur kritischen Reflexion von rassistischen Einstellungen.

veröffentlicht am 30.09.2020

Informationen zur Studie:

Janzen, Olga/Kaddor, Lamya/Karabulut, Aylin/Pfaff, Nicolle/Zick, Andreas (2018). Muslime ja, Islam nein? Duisburg: Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. https://islam-feindlichkeit.de/publikationen/ [Zugriff: 06.08.2020]

Kaddor, Lamya/Karablut, Aylin/Pfaff, Nicolle (2019). …Man denkt immer sofort an Islamismus. Duisburg: Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. https://islam-feindlichkeit.de/publikationen/ [Zugriff 06.08.2020]

Einzelnachweise

  1. In der Studie wurden qualitative und quantitative Methoden kombiniert. Sie wurde mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 15 und 31 Jahren an verschiedenen weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Zurückspringen
  2. Ungleichwertigkeitsideologien stellen die Gleichwertigkeit bestimmter Gruppen von Menschen infrage und bilden damit die Basis einer Abwertung dieser Gruppen (z.B. Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, Antiziganismus). Zurückspringen