Wer hat's gesagt?
„Statt Mischung und Vereinheitlichung wollen wir den Erhalt der Unterschiede. Den Erhalt der verschiedenen Völker, Kulturen und Identitäten. Auch unseren eigenen! Wir wollen, dass die Welt ein bunt schimmerndes, fröhliches Bild bleibt und keine graue Leinwand wird. Wir sind die wahren Vertreter und Kämpfer für Vielfalt“
Richtig!
Leider Falsch. Die richtige Antwort wäre "Identitäre Bewegung".
Das Zitat stammt aus dem Pamphlet der Identitären Bewegung, „Die identitäre Generation. Eine Kriegserklärung an die 68er“.
Die Identitäre Bewegung (IB) zählt zur rechtsextremen Strömung der sogenannten „Neuen Rechten“.
In Deutschland ist sie seit Ende 2012 aktiv. IB verbindet virtuellen Aktionismus mit popkulturellen Elementen und einer Coporate Identity. Durch die jugendlich ansprechende Erscheinungsform unterscheidet sich die Gruppe von alten Rechtsextremist*innen, transportiert aber letztlich ähnliche Inhalte. Im Zentrum ihrer Aktionen stehen der Protest gegen Migration und Islam.
Welche Aussagen stecken in dem Zitat?
Der Autor des Pamphlets stellt sich gegen kulturell, religiös und ethnisch diverse Gesellschaften. Sein Argument: Je pluralistischer eine Gesellschaft ist, desto mehr Traditionen und kulturelle Besonderheiten gehen verloren – eine gleichgeschaltete, homogene, globale Kultur entstehe. Die Gruppe präsentiert sich dagegen als Beschützer der Vielfalt: Die sei allerdings nur zu bewahren, wenn sich die verschiedenen Völker und Kulturen voneinander abgrenzten. Das Leitbild des Pluralismus wird dadurch in sein Gegenteil verkehrt – eine typische Methode des Populismus und der Neuen Rechten.
Was sagen Islamist*innen zu dem Thema?
Auch Islamist*innen sind gegen gesellschaftliche Heterogenität. Nur ist es auf dem ersten Blick nicht jedem ersichtlich. Denn oft wird die Heterogenität der umma, also der weltumspannenden, islamischen Gemeinschaft gepriesen. In der umma, so das Versprechen, seien alle gleich. Dennoch ist innerhalb islamistischer Ideologien gesellschaftliche Homogenität das Ziel. Die Trennlinie verläuft dabei nur nicht zwischen Ethnien, sondern zwischen Gläubigen und Ungläubigen.
Wo liegt das Problem?
Im Rechtsextremismus wird Kultur als angeborene, unveränderliche nationale Eigenschaft verstanden. Kulturen sind aber dynamisch und wandelbar. Die Geschichte zeigt uns, dass kulturelle Einflüsse immer schon grenzüberschreitend waren. Dementsprechend gibt es keine homogene, also einheitliche Kulturgemeinschaft.
Die Grundidee der pluralistischen Gesellschaft ist es deshalb, dass jede*r frei ist, so zu leben, wie er oder sie es für richtig hält – solange dabei nicht die Rechte und Freiheiten anderer eingeschränkt werden. Also bete in der Moschee, trink Bier im Club oder besuche eine Demonstration – worauf du eben Lust hast!
Wenn du mehr über den Begriff der Kultur erfahren möchtest, lohnt sich ein Blick in das Spiel CONNECTING THE DOTS ● Geschichte(n) von Unterdrückung und Widerstand. Dort kannst du mehr über die Geschichte und den Wandel des Kulturbegriffs erfahren.
Was sagen?
Nationen sind historisch entstanden und sind keine natürlichen Gebilde. Und auch in sich waren und sind Nationen nie einheitlich. In Deutschland gibt es zum Beispiel große Unterschiede zwischen Stadt und Land, Ost und West, aber auch zwischen Schleswig-Holstein und Bayern. Hinzu kommen ganz unterschiedliche Lebenslagen, Familiengeschichten und Religionszugehörigkeiten. Und auch ein Blick zurück macht deutlich, dass es keine fixe „deutsche Kultur“ gibt, an der sich alles orientiert. Dies betrifft zum Beispiel die Vorstellung von Gleichberechtigung, Homosexualität oder die Bedeutung der Kirche. Solche Werte verändern sich und werden in keinem Land von allen immer geteilt.
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Was sind Narrative überhaupt?
Narrative sind in aller Munde. Ob in Politik, in den Medien oder in der Psychologie: Überall wird von Narrativen gesprochen. Aber was sind Narrative und was haben sie mit Extremismus zu tun?
Die meisten Menschen begegnen Narrativen das erste Mal in Kinderbüchern, Comics, Liedern, Spielfilmen oder Computerspielen – immer gibt es spannende Geschichten, die uns in andere Leben, Zeiten und Welten mitnehmen. Denn Narrative bezeichnen zunächst einmal die einzelnen, miteinander verbundenen Handlungsstränge einer Geschichte.
Der englische Schriftsteller E. M. Foster macht den Unterschied zwischen einer auf Fakten basierten Geschichte und einer Handlung mit einem Beispiel deutlich. In dem Satz „The king died, and then the queen died“ (Der König starb und dann starb die Königin) werden zwei Ereignisse geschildert, die auch unabhängig voneinander passiert sein können. Doch in dem Satz „The king died, and then the queen died of grief“ (Der König starb und dann starb die Königin vor Gram) erfahren wir einen Grund, der beide Ereignisse miteinander verbindet. Was erzählt wird, was ausgelassen wird und welchen Ereignissen wie viel Raum gegeben wird, das ist ausschlaggebend dafür, wie wir die Ereignisse wahrnehmen.
Narrative werden aber nicht nur in Unterhaltungsmedien genutzt. Sie nehmen besonders im politischen Denken und in öffentlichen Diskussionen eine zentrale Stellung ein. Denn in ihnen stecken oft überzeugende und motivierende Geschichten, die Geschehnissen einen Sinn geben. Sie ermöglichen es uns, schwierige und komplizierte Zusammenhänge zu verstehen. Sie beeinflussen unser Bild von uns und von anderen. Sie können darüber hinaus dazu beitragen, dass wir uns als Teil einer Gruppe verstehen – oder eben auch nicht. Kurzum: Narrative haben Einfluss auf unsere Weltsicht.
Und was hat das jetzt mit Extremismus zu tun?
Angesichts der Wirkweise von Narrativen ist es wenig überraschend, dass auch populistische oder extremistische Personen oder Gruppierungen Narrative nutzen, um ihre rassistische, sexistische oder menschen- und demokratiefeindliche Weltsicht in die Öffentlichkeit zu bringen. Narrative erfüllen damit eine wichtige ideologische Funktion.
Oftmals sprechen Narrative Themen an, in denen Gesellschaftskritik oder Fragen zu Werten und Religion, Identität und Zugehörigkeit, Gender und Pluralismus angesprochen werden. In Form von Brückennarrativen können sie sowohl in politischen Randgruppen wie auch im gesellschaftlichen Mainstream anzutreffen sein. Narrative verbinden extremistische politische Spektren mit der Mitte der Gesellschaft. Dies zu erkennen ist jedoch nicht immer leicht.
Autor*innen
Das Quiz ist im Rahmen des außeruniversitären Bildungsangebots „MasterClass: Präventionsfeld Islamismus“ der Bundeszentrale für politische Bildung entstanden. Es ist das Abschlussprojekt der Arbeitsgruppe von Nicole Bopp, Merve Genç, Pirkko Jahn, Sarah Müller und Bence Zámbó. Betreut wurden sie von Maral Jekta (ufuq.de).
Die Inhalte, Aussagen und Themensetzungen dieses Angebots liegen in der Verantwortung der Arbeitsgruppe. Sie wurden in redaktioneller Autonomie gestaltet und spiegeln die Meinung der Autor*innen wider und repräsentieren nicht notwendigerweise die Meinungen und Standpunkte der Bundeszentrale für politische Bildung.