Auswirkungen von Religions- und Wertekonflikten auf den Schulalltag

Die durch die sogenannten „Islam-Debatten“ konstruierten Bilder von der als homogen angenommenen islamischen Religion beeinflussen die gesamte Gesellschaft. Verschiedene Studien belegen, dass die diskursiven Dimensionen sich auch auf die Bildungspraxis auswirken und die Arbeit von Pädagog*innen ihren Umgang mit Schüler*innen muslimischen Glaubens beeinflussen (Kiefer 2020).

Schüler*innen, die offen ihre Religion ausleben möchten und konkrete Rechte einfordern, treffen nicht selten auf verunsichertes oder ablehnendes pädagogisches Personal. „So berichten Jugendliche immer wieder, dass sie mit Wünschen nach einer Berücksichtigung von religiösen Bedürfnissen im Schulalltag oft direkt und brüsk zurückgewiesen werden“ (Nordbruch 2019). Begründet wird dies u.a. mit dem Verweis darauf, dass die Berücksichtigung identitätspolitischer Partikularismen und diesbezügliches Entgegenkommen die Neutralität der Schule gefährden. Dabei orientieren sich die geäußerten Interessen der Jugendlichen auf grund- und schulgesetzlich verbriefte Rechte wie Religionsfreiheit, Selbstbestimmung und diskriminierungsfreie schulische Bildung (ebd.).

Denn grundlegender Anspruch des pluralistischen Staates ist es, alle Bürger*innen unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Auch im schulischen Kontext kann die Geltung dieses Grundsatzes nicht eingeschränkt werden. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit ermöglicht es nicht nur, dass alle Schüler*innen ihre Religion gleichermaßen auch in der Schule ausüben dürfen, sondern verpflichtet Bildungseinrichtungen dazu, organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um religiöse Vielfalt im Schulalltag zu ermöglichen. Ergänzt wird das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Religions-, Glaubens- und Gewissensfreiheit in manchen Bundesländen durch die Schulgesetzordnung, die zum Beispiel „die mittelbare und unmittelbare Diskriminierung nicht nur beim Zugang, sondern auch in der Bildung (während des Schulbesuchs)“ verbiete, solange die Schüler*innen nicht unter 14 Jahre alt, also noch nicht religionsmündig sind (Dern et al. 2012, S. 82).

Auch in Schulen spielt somit die Auseinandersetzung mit Religion und religiöser Pluralität, die wiederum vorrangig anhand des Islam und der gelebten Religiosität von muslimischen Schüler*innen ausgetragen wird, eine Rolle. Anerkennung und Teilhaberechte werden nicht nur gesamtgesellschaftlich, sondern auch partikular im Schulalltag ausgehandelt und die Schule wird damit zu einem Ort, an dem Grenzziehungen überwunden und Signale für einen positiven Umgang mit (religiöser) Pluralität gesandt werden können (Spenlen 2019). Dies kann sich beispielsweise in einem anerkennenden Umgang mit Kopftuch tragenden Schülerinnen manifestieren, der Berücksichtigung von Speiseregeln, der Verfügbarmachung von Gebetsräumen oder dem Zugeständnis, auch wichtige religiöse islamische Feiertage als solche zu ermöglichen. Die Schwierigkeit dabei besteht nicht zuletzt darin, im Einzelfall jeweils sorgfältig zwischen dem individuellen Recht der Schüler*innen, der Aufrechterhaltung des Schulfriedens sowie dem Schutz von Kinderrechten abzuwägen. Letztere werden besonders im Streit um das Kopftuch von Schüler*innen oft als Kritik angeführt, wonach das Tragen eines Kopftuchs den Kinderrechten der Träger*innen entgegenstehen würden.