Im Fokus dieses Beitrags steht die Frage, wie die Coronakrise in islamistischen und rechtspopulistischen YouTube-Accounts thematisch aufgegriffen wurde.[1] Dafür wurden in einem qualitativen Sample 50 Videos aus zehn islamistischen Kanälen und 38 Videos aus sieben rechtspopulistischen Kanälen analysiert.[2] In die Analyse einbezogen wurden alle Videos, die in den ausgesuchten Kanälen die Begriffe Corona, Covid-19, Virus und/oder Quarantäne im Titel führten und zwischen dem 1. Januar und dem 8. Mai 2020 auf die jeweiligen YouTube-Kanäle hochgeladen wurden. Die Reichweite der Videos im Sample war beachtlich. Die ins Sample einbezogenen islamistischen Kanäle hatten insgesamt 494.200 Abonnent*innen, die dazugehörigen Videos 623.189 Aufrufe und insgesamt 3.934 Kommentare.[3] Die rechtspopulistischen Kanäle kamen auf 835.300 Abonnent*innen, die ausgewerteten Videos auf 7.005.104 Aufrufe und 54.174 Kommentare (jeweils Stand 29.06.2020).

Die Vorgehensweise der Videoanalyse war explorativ. Das Studienteam sichtete die Inhalte der Videos und fasste sie anschließend schriftlich zusammen. Auf Basis dieser Zusammenfassung wurde ein System von insgesamt sechs Kategorien entwickelt, mit dessen Hilfe die Videos in Gruppen eingeteilt sowie islamistische und rechtspopulistische Inhalte miteinander verglichen werden konnten. Die Kategorien leiten im Folgenden die Darstellung der Ergebnisse.

Vorweggenommen werden kann, dass vor allem die inhaltlichen Unterschiede zwischen islamistischen und rechtspopulistischen Videos im Sample überraschend waren. So wurden in den islamistischen Inhalten kaum Zweifel an der Gefahr des Virus laut, während Videos aus dem rechtspopulistischen Spektrum dieses überwiegend zu verharmlosen suchten. Auch konzentrierte sich ein Großteil der islamistischen Argumentation auf die Herausforderung der Krise für den eigenen Glauben. Rechtspopulist*innen hingegen fokussierten ihre Darstellungen auf die Delegitimation politischer und wissenschaftlicher Akteur*innen sowie der von ihnen durchgesetzten Maßnahmen, um gleichzeitig gegen die Einschränkungen aufgrund der Krise zu mobilisieren.

Das Coronavirus als Strafe

In fünf von zehn islamistischen Kanälen gab es insgesamt fünf Videos, in denen das Coronavirus als göttliche Strafe beschrieben wurde. Der Ausbruch der Pandemie und die aktuelle Lage seien eine Konsequenz vorhergegangenen Fehlverhaltens. Dieses wurde, je nach Video, einzelnen Personen (Atheist*innen), Nationen (wie den Chines*innen) oder Bevölkerungsgruppen (falsch geleiteten Muslim*innen) zugeschrieben.

In einem Video, dessen Veröffentlichung in die frühe Phase der Pandemie fiel, wurde beispielsweise die These verbreitet, dass das Virus die chinesische Bevölkerung für die Vergehen ihrer Regierung gegen die muslimischen Uigur*innen strafe. Ein Beispiel dafür ist das Video „Warum hat Allah den Coronavirus erschaffen“, das im Kanal Der Islam verbindet erschien. Hier spricht Ahmad Abul Baraa über die Verfolgung der muslimischen Uigur*innen in China. Dem chinesischen Präsidenten wünscht er dafür nur Schlechtes: „Dieser Verbrecher, dieser chinesische Präsident. Möge Allah ihm Krankheiten geben, die er nie vorher gekannt hat. […] Schaut wie Allah diese Leute erniedrigt“ (12:32ff.). Anschließend erläutert Abul Baraa, dass Schicksalsschläge die Folge einer Sünde seien und wie sie durch Reue gesühnt werden könnten.

Gemein haben die Videos, in denen Corona als Strafe dargestellt wird, dass argumentiert wird, die Pandemie werde erst enden, wenn die „Sünder*innen“ genügend Sühne getan haben und ihr Verhalten ändern, indem sie die islamischen Gebote „richtig“ – das heißt im Sinne der jeweiligen Akteur*innen – befolgen.

 

Die Pandemie als Gottesbeweis und Aufgabe religiöser Bewährung

In knapp einem Drittel (n = 15) der untersuchten islamistischen Videos, die in neun von zehn untersuchten Kanälen zu finden waren, wurden die Pandemie und die damit einhergehenden Herausforderungen als Beweis für die Allmacht Gottes und große Aufgabe zur religiösen Bewährung beschrieben. In rechtsextremistischen Kanälen gab es keine vergleichbaren Inhalte.

Die Tatsache, dass ein so winziger Krankheitserreger wie SARS-CoV-2 die Welt innerhalb kurzer Zeit so stark verändern kann, wird in einigen Videos als Beweis für die Existenz und die Allmacht eines Schöpfers gesehen. Zum Beispiel sagt der Sprecher im Video „Bestraft Allah die Menschen mit dem Coronavirus“ auf dem Kanal Lorans Yusuf: „Wie hilflos ist der Mensch und wie unfähig ist er, nachdem Allah diesen Virus geschickt hat. […] Und er [Allah] erschafft Dinge, die ihr nicht versteht. Er erschafft Dinge, die wir nicht begreifen können. Und das alles, damit wir verstehen, dass es einen Herrn gibt, der all die Dinge kontrolliert und dem Menschen seine Hilflosigkeit zeigt, nachdem er geglaubt hat, dass er etwas sei“ (01:25ff.). Die Argumentation betont, dass Krankheit und Heilung dem Willen Gottes unterliegen. Auf diese Weise mache er alle Menschen gleich.

Verbunden wird die Argumentation mit dem Aufruf, die Ausnahmesituation der Pandemie zur religiösen Bewährung zu nutzen. Dieses Motiv findet sich in vielen der analysierten Videos. Die Sprecher*innen adressieren die Unsicherheit der Menschen, um ihnen die religiösen Heilsversprechungen der islamistischen Gruppierungen nahezulegen. Ein weiteres Beispiel dafür ist das Video „#Coronavirus in Deutschland – Die pure Wahrheit“ auf dem Kanal Young Muslim. Im Video geht es über Kultur- und Konsumkritik hin zum Glauben daran, dass die Krise zur Bewährung genutzt werden solle (siehe Abb. 2).

Abb. 2, Szenen eines Schlussverkaufes im Hintergrund visualisieren das Narrativ der Konsumkritik, Quelle: Young Muslim

Der Sprecher sagt: „Vielleicht wacht unsere Birne mal auf. […] Vielleicht ist es ja das, was wir gerade brauchen, damit wir zurück zu Allah kehren. Wir haben die Macht von Allah nämlich vergessen, glaube ich“ (03:05ff.). Videos dieser Kategorie prägen die Idee, dass es in der Pandemie darum geht, sich vor Gott zu bewähren. Dazu gehört vor allem das Befolgen der – islamistisch interpretierten – religiösen Gebote und Praktiken im Alltag.

Praktische Verhaltensweisen

Angesichts dessen, wie häufig die Coronakrise als Moment der religiösen Bewährung beschrieben wird, wundert es nicht, dass Anleitungen und Vorschläge für praktische Verhaltensweisen die am häufigsten vertretene Kategorie unter den islamistischen Videos ist. Mit insgesamt 32 Videos aus acht Kanälen konnten knapp zwei Drittel der islamistischen Videos dieser Kategorie zugeordnet werden. Dabei geht es vor allem um Tipps, wie eine Erkrankung vermieden, der Glaube gestärkt und die von den islamistischen Gruppierungen postulierten religiösen Pflichten trotz der Beschränkungen wegen der Pandemie eingehalten werden können.

Im Kanal der Deutschen Muslimischen Gemeinschaft (DMG) wurde beispielsweise die Serie „Verhalten eines Muslims in Zeiten der Coronaviruspandemie“ veröffentlicht, die zehn Videos umfasst. Die Videos geben Auskunft darüber, wie nach Darstellung der DMG das Bittgebet zu leisten ist, wie man sich schützen kann, wenn man das Haus verlässt oder über das Abdecken von Gefäßen in der Nacht.

Verschiedene Videos raten an, in Zeiten der Epidemie bedächtig zu handeln. Sie geben Gesundheits- und Ernährungstipps zur Vorbeugung einer möglichen Erkrankung oder machen Anregungen für eine gesunde Freizeitgestaltung. Mehrere Videos empfehlen, den Koran zu studieren, auf Allah zu hören und für Mitmenschen zu sorgen. Dafür gehen sie auf Textstellen aus Koran und Sunna ein, die über den Umgang mit Seuchen Auskunft geben sollen.

Ähnlich argumentiert auch Pierre Vogel, der in mehreren Kanälen vertreten ist. Er rät, medizinischen Expert*innen Glauben zu schenken und nicht auf „Verschwörungstheoretiker“ zu hören. Auf seinem Kanal sagt er im Video „Das Coronavirus und die Verschwörungstheoretiker“: „Wer verleugnet, dass es den Virus gibt, das ist ein Mensch, der absolut unrealistisch ist und neben der Musik tanzt“ (02:31ff.). So wundert es nicht, dass den Empfehlungen des deutschen Gesundheitssystems und der Bundesregierung in den islamistischen Videos, die zu unserem Sample gehörten, gemeinhin nicht widersprochen wird.

Praktische Verhaltensweisen gab es auch in rechtspopulistischen Videos, allerdings waren sie auf den Kanal SchrangTV beschränkt, wo sich acht entsprechende Videos fanden. So wie die meisten rechtspopulistisch argumentierenden Sprecher*innen in den analysierten Videos tendiert auch der Protagonist von SchrangTV dazu, die Gefahren durch das Coronavirus zu relativieren. In seinen Videos gibt der Sprecher Tipps, wie man durch Meditation und Achtsamkeit die eigene innere Mitte finden kann.

Alternative Kontextualisierungen

Sowohl islamistische als auch rechtspopulistische Videos versuchen, die Coronakrise in einen alternativen – das heißt vorrangig von den Massenmedien abweichenden – Kontext einzuordnen. Dafür nutzen sie Zahlen und Fakten zur Sterblichkeit und Infektionsgefahr sowie die politischen Vorgaben zu Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen des Bundes und der Länder, verbinden diese aber mit ihren jeweiligen ideologischen Agenden.

In drei rechtspopulistischen Kanälen gab es insgesamt drei Videos, die dieser Kategorie zuzuordnen sind. Auf dem Kanal Der fehlende Part, einem YouTube-Ableger von Russia Today, werden Gerüchte über den Ursprung des Virus aufgegriffen, der entweder auf einem Viehmarkt oder in Sicherheitslaboren zu finden sei. Die Vermutung ähnelt Verschwörungsideologien (siehe unten), die in rechtspopulistischen Kanälen weit verbreitet sind, und sieht Corona als im Auftrag des Pentagons entwickelte Biowaffe.

Auch Martin Sellner, ein bekannter Vertreter der rechtsextremistischen Identitären Bewegung, stellt offen die Frage, ob das Virus in einem Labor entwickelt wurde. Er bezieht sich auf eine Sendung des Compact Magazins zu Corona, die er auf seinem Kanal bespricht. Sellner thematisiert auch die, seiner Meinung nach, gezielte Angstmache durch die Bundesregierung.

Von den islamistischen Videos wurden elf Videos aus sechs Kanälen dieser Kategorie zugeordnet. Sie setzten sich vor allem mit dem Fastenmonat Ramadan in Zeiten der Coronakrise auseinander und mit antimuslimischem Rassismus aufseiten der Mehrheitsbevölkerung. Der Kanal mit den meisten Inhalten zur Kategorie war Realität Islam. Im Video „Stellungnahme: Muslime als Sündenböcke für COVID-19“ behauptet der Sprecher, dass die muslimischen Bürger*innen als

Abb. 3, Verfolgung von Jüd*innen während der Pestepidemie als Vergleich zur Coronakrise, Quelle: Realität Islam

Infektionsrisiken gesehen werden, weil ihr Immunsystem während des Fastens geschwächt sei und ihr „intensives Bindungsverhalten“ (Originalton) die Ausbreitung befördere. Auf wessen Aussagen sich der Sprecher bezieht, sagt er nicht. Aufgrund der aus Sicht des Sprechers mit der Pandemie zunehmenden Stigmatisierung der Muslim*innen müssten die Muslim*innen zusammenstehen und „die islamfeindlichen Narrative mit aller Kraft dekonstruieren“. Er zieht die Parallele zur Judenverfolgung während der Pest im Mittelalter und untermalt seine Ausführungen mit entsprechenden Bildern (siehe Abb. 3).

Rassismus gegen Minderheiten

In der Tat gab es in Bezug auf das Coronavirus in den analysierten Videos rassistische Äußerungen über gesellschaftliche Minderheiten. Insgesamt wurden fünf rechtspopulistische Videos aus zwei Kanälen dieser Kategorie zugeordnet. Prominent vertreten ist hier erneut Martin Sellner. Im Video „Weil Paris brennt – Ramadanpause für Coronasperren“ berichtet er über die Pariser Banlieues, in denen nach seiner Darstellung die Ausgangsbeschränkungen vor allem von Bürger*innen mit Migrationshintergrund missachtet werden. Das zeigt seiner Erachtens: „Vielfalt ist nicht unsere Stärke, Vielfalt ist unsere Schwäche. Multikulturalismus, eine fragmentierte Gesellschaft, zerstört das gegenseitige Vertrauen“ (04:49ff.). Sellner spricht in seinen Videos von „importierten Minderheiten“ (07:52) oder den „importierten Ersetzungsmigranten“ (01:09) und spekuliert, dass der Zeitpunkt der Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen mit dem Beginn des Ramadans begründet werden konnte: „Weil unsere Politiker einen Bevölkerungsaustausch betreiben durch Menschen, denen der Ramadan sehr wichtig ist“ (05:52ff.). Sellner bezieht sich mit seinen Äußerungen auf die Vorstellung des großen Bevölkerungsaustausches, eine als Verschwörungsideologie zu kennzeichnenden Argumentation. 

Verschwörungsideologien

Während sich islamistische Akteur*innen teilweise explizit gegen „Verschwörungstheoretiker“ positionierten (vgl. oben), machten in rechtspopulistischen Videos Inhalte die große Mehrheit der Beiträge (27 von 38 in sechs von sieben Kanälen) aus, die in der Coronakrise das schädliche Handeln von Eliten, Wissenschaftler*innen oder Politiker*innen erkennen wollten. Wir fassen diese als Verschwörungsideologien zusammen, weil in diesen das manipulative Handeln mächtiger Drahtzieher*innen, die eine geheime Agenda gegen die rechtschaffene Bevölkerung verfolgen, eine wichtige Rolle spielt.

Rechtspopulistische Videos, die sich „elitenfeindlich“ äußern, argumentieren gemeinhin, dass die kosmopolitischen, volksfremden Eliten eine Minderheit seien, die sich an den entscheidenden Machtpositionen festgesetzt hat: Regierung, Parlament, Medien, Verwaltung. Die Eliten kontrollierten und dominierten das öffentliche Leben mit ihren Interessen („Lügenpresse“). In einzelnen Videos wird behauptet, dass das Verhalten der Gesellschaft durch die Eliten und die mit ihnen kooperierenden Massenmedien vorgegeben werde, um eine leichtere Kontrolle auf die Gesellschaft ausüben zu können. Das gehe während der Pandemie mit gezielter Angst- und Panikmache einher. Verbreitet ist die Argumentation groß gegen klein, sie gegen uns. Beispielsweise wird argumentiert, dass die Wirtschaft bewusst in einen Börsencrash geführt würde. Hierbei sollen Wirtschaftsmächte von Gier getrieben eine Vermögenssteuerumverteilung auf Kosten der Arbeit nehmenden Masse initiieren und gezielt eine Depression der Weltkonjunktur einleiten.

Ein weiteres rhetorisches Element einiger rechtspopulistischer Videos ist, die Skepsis gegenüber etablierten Wissenschaftler*innen und ihren Argumentationen zu schüren. Die Argumentation betont, dass Wissenschaftler*innen, welche die „Lügenpresse“ als Expert*innen heranziehe, nicht vertrauenswürdig seien.

Abb. 4, Hygieneregeln als hysterisch und unrechtmäßig, Quelle: Martin Sellner live

Stattdessen werden alternative Expert*innen präsentiert, die angeblich näher an der – von vielen unerkannten – Wahrheit seien. Den Coronatests wird beispielsweise eine hohe Fehlerquote zugeschrieben und die Wirksamkeit der Hygienemaßnahmen bezweifelt oder sogar als hysterisch dargestellt (siehe Abb. 4). Auf Basis dieser Aussagen wird in den Videos Covid-19 als harmlos beschrieben und behauptet, die Epidemie sei schnell wieder vorbei. Verbreitet ist der Vergleich mit einer normalen Grippe.

Letztlich wird in einigen Videos auch gegen amtierende Politiker*innen Stimmung gemacht. Es wird gegen eine angebliche Meinungsdiktatur und die Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten während der Pandemie protestiert. Diese Argumentation geht einher mit der Sorge vor totaler Überwachung durch eine vermeintliche Weltregierung. Ein Beispiel ist das Video „Scharia-Quarantäne“ im Kanal Laut Gedacht. Im Video wirft der Sprecher dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, vor, sich Sonderrechte durch ein Notstandsgesetz vom Parlament einzuholen und so eine Diktatur einzuleiten.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

In den letzten Jahren hat sich in der Auseinandersetzung mit extremistischen und populistischen Inhalten in sozialen Medien ein phänomenübergreifender Ansatz bewährt, der aufzeigen kann, wie islamistische Hassreden und Anschläge von rechtspopulistischen und -extremistischen Gruppierungen genutzt werden, um gegen „den Islam“ und „die“ Muslim*innen Stimmung zu machen und vice versa (Ebner 2018). Das untersuchte Sample mit islamistischen und rechtspopulistischen Videos zeigt sowohl strukturell als auch inhaltlich Schnittpunkte zwischen beiden Phänomenbereichen. Strukturell arbeiten islamistische und rechtspopulistische Videos mit Verkürzungen, Feindbildkonstruktionen und einer starken Emotionalisierung. Inhaltlich spielt die Auseinandersetzung mit Rassismus für islamistische Videos eine Rolle, während rechtspopulistische Videos rassistische Vorurteile und Verschwörungsideologien befeuern. Auch treffen sich rechtspopulistische und islamistische Inhalte, indem sie praktische Verhaltensweisen im Umgang mit der Krise vorschlagen und versuchen, diese in ihr spezifisches Weltbild zu integrieren.

Wesentlich auffälliger als die Schnittmengen sind jedoch die inhaltlichen Unterschiede zwischen den islamistischen und rechtspopulistischen Videos. In islamistischen Videos wird die Coronakrise vor allem als Moment der Bewährung im Glauben dargestellt. Die verbreitete gesellschaftliche Unsicherheit wird genutzt, um die Macht Gottes zu betonen. Inhaltlich am wichtigsten sind deswegen Tipps für praktische Verhaltensweisen, die vor dem Virus schützen und das Jenseitsschicksal positiv beeinflussen. Die Gefährlichkeit des Virus und die Maßnahmen von Bund und Ländern werden kaum in Zweifel gezogen. Das steht im starken Kontrast zu den rechtspopulistischen Videos im Sample.

Die untersuchten rechtspopulistischen Videos konzentrierten sich darauf, die Rechtschaffenheit von Akteur*innen infrage zu stellen, die während der Pandemie zentrale öffentliche Funktionen erfüllten. Dazu gehören Journalist*innen und ihre Medienberichterstattung, aber auch Wissenschaftler*innen, die Maßnahmen empfahlen, und Politiker*innen, die diese anordneten. Das Ziel war jedoch nicht ein Diskurs über Berichterstattung und Maßnahmen, sondern letztendlich die Delegitimation der Akteur*innen, weswegen wir diese Inhalte als Verschwörungsideologien kategorisieren. Bemerkenswert war die Rhetorik der rechtspopulistischen Akteur*innen: Sie nahmen für sich in Anspruch, für bürgerliche Freiheitsrechte und das Grundgesetz einzustehen. Das Aufbegehren gegen die Einschränkungen während der Coronakrise war für sie ein Gradmesser, ob ihre Anhänger*innen die „Wahrheit“ erkannt hätten oder zu der durch die Eliten kontrollierten Masse gehörten.

Die islamistische und rechtspopulistische Spezifik in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Coronakrise ist bemerkenswert und sollte in weiteren Analysen vertieft untersucht werden. Eine bessere Kenntnis dieser Spezifik kann phänomenübergreifende Ansätze in der Politischen Bildung und Primärprävention ergänzen beziehungsweise Akzentuierungen ermöglichen.

veröffentlicht am 21.07.2020

Literaturverzeichnis

Baaken, Till/Hartwig, Friedhelm/Meyer, Matthias (2019). Die Peripherie des Extremismus auf YouTube. Berlin. https://modus-zad.de/wp-content/uploads/2020/03/modus_insight_Die_Peripherie_Des_Extremismus_auf_YouTube2020.pdf [Zugriff: 20.07.2020].

Ebner, Julia (2018). Radikalisierungsspirale: Das Wechselspiel zwischen Islamismus und Rechtsextremismus, ufuq.de. http://www.ufuq.de/radikalisierungsspirale-das-wechselspiel-zwischen-islamismus-und-rechtsextremismus/ [Zugriff: 31.08.2018]

Hohnstein, Sally/Herding, Maruta (Hrsg.) (2017). Digitale Medien und politisch-weltanschaulicher Extremismus im Jugendalter. Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis. Halle (Saale): Deutsches Jugendinstitut e.V., Außenstelle Halle (Saale), Abteilung Jugend und Jugendhilfe, Fachgruppe J4: Politische Sozialisation und Demokratieförderung, Arbeits- und Forschungsstelle Rechtsextremismus und Radikalisierungsprävention.

Materna, Georg (2019). Ist das noch kritisch oder schon extrem? Meinungsbildung Jugendlicher in Sozialen Medien im Kontext von islamistischen Ansprachen und Islamfeindlichkeit. In: merz Wissenschaft, 63 (6), S. 53–64.

MPFS (2020). JIMplus 2020. Lernen und Freizeit in der Corona-Krise. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/JIMplus_2020/JIMplus_2020_Corona.pdf [Zugriff: 10.06.2020]

Nordbruch, Götz/Asisi, Pierre (2019). Legitime Fragen, problematische Antworten: Islamistische Angebote in Sozialen Medien. In: merz | medien + erziehung, 63 (3), S. 45–50.

Reinemann, Carsten/Nienierza, Angela/Fawzi, Nayla/Riesmeyer, Claudia/Neumann, Katharina (2019). Jugend – Medien – Extremismus. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH; Springer VS.

Rieger, Diana/Frischlich, Lena/Bente, Gary (2013). Propaganda 2.0. Psychological Effects of Right-Wing and Islamic Extremist Internet Videos. Köln: Luchterhand.

Einzelnachweise

  1. Bei der Auswahl der islamistischen Kanäle orientierten wir uns an der Studie „Die Peripherie des Extremismus“, in der die 25 meistabonnierten islamistischen YouTube-Kanäle untersucht wurden (Baaken et al. 2019). In zehn der 25 Kanäle gab es Videos, die unseren Auswahlkriterien entsprachen. Die rechtspopulistischen Kanäle suchten wir analog nach Abonnent*innenzahlen und der Bekanntheit ihrer Protagonist*innen aus. Das gelang nur bedingt, die Zahl der Abonnent*innen, Aufrufe und Kommentare der rechtspopulistischen Videos übertraf die der islamistischen deutlich (siehe unten). Zurückspringen
  2. Die Kanäle mit niederschwelligen islamistischen Inhalten des Samples sind: Botschaft des Islams, Lorans Yusuf, PierreVogelDE, Der Islam verbindet, Deutsche Muslimische Gemeinschaft, Generation Islam, Young Muslim, Wissen für alle (Shaykh Abdellatif), Abdul Baraa Tube, Realität Islam, HAQQ Analytics. Die rechtspopulistischen Kanäle des Samples sind: Wissensmanufaktur, Der fehlende Part, Neverforgetniki, Laut Gedacht, Martin Sellner, Martin Sellner live, SchrangTV. Zurückspringen
  3. Die Kommentare zu den Videos und verlinkte Inhalte wurden nicht ausgewertet. Zurückspringen