Demokratiekritik und Rassismus

Die Krisen und Konflikte des Nahen und Mittleren Ostens verbinden Islamist*innen mit persönlichen Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen von Muslim*innen. „Wahre“ Muslim*innen, so ihre Deutung, würden von Nichtmuslim*innen verfolgt und unterdrückt. Der salafistische Prediger Pierre Vogel sagt dazu bspw. in einem Vortrag vom 13.01.2018: „Wir leben in einer Zeit, in der der Islam angegriffen wird. Sei es mit Waffen, sei es mit Propaganda, im Internet, Fernsehen, in der Zeitung. In den letzten 100 Jahren wurden 60.000 Bücher gegen den Propheten Mohammed geschrieben. Tausende Internetseiten sind gegen den Islam. Die westliche Welt ist gegen den Islam.“[1]

Abbildung 3: Beispiel für eine islamistische Hashtag-Kampagne gegen ein gesetzliches Kopftuchverbot. Quelle: Generation Islam

Prominent sind in diesem Zusammenhang Aussagen, die suggerieren, dass die in pluralen Demokratien verankerten Freiheiten nur denjenigen zugesprochen werden, die sich der Mehrheitsgesellschaft anpassen. So gäbe bspw. die deutsche Bundesregierung vor, Bürger*innen hätten unabhängig von Herkunft und sozialem Status die gleichen Teilhabechancen. Dieses Versprechen werde aber nicht eingehalten. Deutlich wird diese Argumentation u.a. in der von GI initiierten Twitter-Kampagne #NichtOhneMeinKopftuch, die sich gegen Forderungen nach einem Kopftuchverbot von Schülerinnen richtet (siehe Abbildung 3).

GI schreibt dazu am 02.07.2019 auf Twitter: „Sich penetrant für ein Verbot einsetzen, das offen der eigenen Verfassung widerspricht, aber dann immer wieder davon reden, dass die Muslime sich zu hiesigem Recht zu bekennen haben.“[2] Im Mittelpunkt steht dabei die Kritik an Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen, die den gesellschaftlichen Anspruch, eine Demokratie zu sein und Diversität zu leben, widerlegen. Die Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen würden dadurch als Ausdruck einer grundsätzlichen Ablehnung des Islam entlarvt. Menschenrechte und Demokratie seien danach lediglich Instrumente, um machtpolitische Interessen zu verschleiern und den Anspruch moralischer Überlegenheit zu begründen.

Ähnlich funktionieren rechtsextreme Argumentationen, die den Grund für tatsächliche oder imaginierte gesellschaftliche Missstände auf gesellschaftliche Pluralität zurückführen. Hierfür operieren sie mit Begriffen wie „Masseneinwanderung“, „Migrationsstrom“ oder „Remigration“. Unter den verschiedenen rechtsextremen Akteur*innen gibt es in diesem Zusammenhang unterschiedliche Herangehensweisen. Während die AfD unter dem Vorwand vermeintlicher Religionskritik rassistische Narrative verbreitet, distanziert sich die IB von „Islamkritik“: „Nicht im Islam als Religion liegt der Grund der Islamisierung, nicht mit einer aufklärerischen Religionskritik ist ihm beizukommen. Ihr Grund ist die islamische Masseneinwanderung und der kulturelle Selbsthass, der Selbstverlust des Europäers. Die Islamisierung kann nicht mit einer Wiederbelebung des Liberalismus, als heroischer „law & order“ Neokonservativismus bezwungen werden, sondern nur mit einer identitären Besinnung Europas, die als bewegenden Mythos eine Rückaneignung seiner ethnokulturellen Identität braucht.“[3]

In der rassistischen Logik der IB wird also nicht der Islam als Religion abgelehnt, sondern das Ausleben nichtchristlicher Kulturen auf europäischem Boden. Grundannahme der Argumentation ist die Unüberwindbarkeit vermeintlich natürlicher Unterschiede von ethnisch definierten Menschengruppen. Um gegen eine vermeintliche Bedrohung von außen zu bestehen, müsse die jeweilige Gruppe homogen bleiben.