Inhalt
Konflikte als Arbeitsbereich von (Medien-)Pädagogik und Entwicklungsaufgabe für junge Menschen- Teil 1: Expertise zur demokratischen Aushandlung von Konflikten in und mit Medien
- Konflikte begleiten und gestalten
- Stress mit der Lehrkraft
- Triggerpunkte gesellschaftspolitischer Konflikte
- Sind viele Konflikte schlecht für eine Gesellschaft?
- Der Umgang mit Konflikten als Entwicklungsaufgabe
- Konflikte um den Klima-Aktivismus junger Menschen
- Wie werden Konflikte ausgetragen?
- Was ist neu durch den digitalen Wandel?
- Vier Aushandlungsformen von Konflikten
- Ausblick auf den zweiten Teil der Expertise
- Literaturverzeichnis
Stress mit der Lehrkraft
Während eines Interviews erzählte Suzanna, dass sie sich jüngst mit einer ihrer Lehrkräfte gestritten hatte.[1] Das Thema war für sie besonders wichtig, aber ihre Lehrkraft konnte Suzannas Perspektive nur schwer nachvollziehen. Suzannas Eltern kamen als Geflüchtete aus einem afrikanischen Land nach Deutschland. Es war hart für sie, in Deutschland anzukommen, ihre Abschlüsse anerkennen zu lassen und ein Auskommen zu finden. Suzanna berichtete im Interview von Rassismuserfahrungen, denen sie als Schwarze Personen ausgesetzt waren und sind. Das war nicht leicht, aber worüber sich Suzanna in diesem Moment richtig ärgerte, war, dass ukrainische Geflüchtete im Vergleich zu ihren Eltern in ihrer Wahrnehmung wesentlich zuvorkommender behandelt wurden.
Suzanna sagte, ukrainische Geflüchtete hätten es einfacher, Abschlüsse anerkennen zu lassen, und dürften sofort nach ihrer Ankunft eine Arbeit aufnehmen. Das empfand sie als ungerecht, weil damit Geflüchtete nach Herkunft und Hautfarbe ungleich behandelt würden. Im Interview zeigte sie ein TikTok, in dem der Kabarettist Serdar Somuncu Geflüchtete aus der Ukraine als „Edelflüchtlinge“ bezeichnete. Er hätte ukrainische Geflüchtete in Porsches gesehen, sagt Somuncu. Es flüchtete scheinbar nur nach Deutschland, wer ein schnelles – und teures – Auto habe. Das sei nicht gerecht, weil afrikanische Geflüchtete seit Jahren auf dem Mittelmeer sterben müssten und auch die Geflüchteten aus dem Nahen Osten nicht reingelassen würden. Wenn Deutschland Geflüchtete aufnehme, sollten diese auch gleichbehandelt werden, fordert Somuncu.
Für Suzanna war das Video wichtig, weil es ihre Meinung zusammenfasste. Sie hatte unter dem Video zustimmend kommentiert und über 10.000 Likes dafür bekommen. Der Streit mit ihrer Lehrkraft entfachte sich daran, dass die Lehrkraft die von Suzanna wahrgenommene Ungleichbehandlung nicht anerkannte. Suzannas Lehrkraft fand es gut, dass die Abschlüsse ukrainischer Geflüchteten ohne große Formalitäten anerkannt wurden und sie auch studieren durften. Suzanna hingegen sah das anders: „Das war zum Beispiel so eine Aussage [der Lehrkraft], die ich… Nee, toleriere ich nicht“ (Suzanna, 37:37ff.).