Nach welchen Kriterien junge Menschen Informationen bewerten

Wer sich damit auseinandersetzt, inwiefern junge Menschen Desinformationen erkennen können, kommt an der Frage nicht vorbei, welche Kriterien sie verwenden, um gute Informationen zu bestimmen. Wenn junge Menschen selbstständig ohne soziale oder technische Hinweise Desinformation erkennen sollen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie dafür ihr Repertoire an Kriterien zur Bewertung von Information nutzen und an den Stellen auf Desinformation aufmerksam werden, wo ihre subjektiven Kriterien nicht greifen oder mit ihrer Hilfe problematische Inhalte markieren können. Für ein medienpädagogisches Projekt gegen Desinformation ist es deswegen besonders wichtig, mehr über die Kriterien zu erfahren, mit denen junge Menschen in ihren Informationsräumen navigieren. Welche Kriterien bilden also den Kompass für das Informationshandeln junger Menschen? 

Abb. 28, Symbolbild Kriterien Quelle

Das Ergebnis der Datenauswertung zeigt drei verschiedene Strategien für die Bewertung von Inhalten. Erstens gibt es eine kontextbezogene Strategie. Hier geht es um Kontext-Kriterien, die sich nicht direkt auf den medialen Content beziehen, sondern sich stark am Meinungsklima und an plattformspezifischen Qualitätskriterien ausrichten: Wie viele Treffer einer Suchmaschine bestätigen eine Information? Ist die Quelle (z. B. ARD) eines Inhalts bekannt und vertraue ich ihr? Zweitens gibt es formatbezogene Strategien. Diese orientieren sich an Konventionen, die aus Rezeptionsgewohnheiten und den Gestaltungsmöglichkeiten der Plattformen zusammengesetzt sind: Hat ein Video Untertitel? Ist die Bildbearbeitung passend? Drittens gibt es eine eher inhaltsbezogen Bewertungsstrategie. Das heißt, es geht um inhaltliche Kriterien, die sich direkt auf medialen Content beziehen lassen. Zum Beispiel: Wie wird in einem Video argumentiert? Wer spricht im Beitrag für wen? 

Bevor die drei Bewertungsstrategien dargestellt werden, gilt es jedoch zwei Punkte zu betonen. Zum einen waren inhaltliche Kriterien in Bezug auf alle Befragten wesentlich weniger elaboriert. Das heißt, es fanden sich zwar über alle Interviews verteilt mehrere inhaltliche Kriterien, diese Kriterien wurden aber jeweils von unterschiedlichen Personen genannt. Lediglich einzelne Personen (tendenziell mit höherer Bildung) konnten mehrere inhaltliche Kriterien für sich als relevant benennen. Im Unterschied dazu waren die Kontext- und Format-Kriterien wesentlich verbreiteter. Das heißt, sie wurden unabhängig vom Bildungshintergrund wiederholt von mehreren Personen als Beispiele genannt. Zum anderen waren für alle Befragten jeweils unterschiedliche Informationen leicht oder schwer zu beurteilen. Fühlte sich eine Person in Bezug auf das von ihr ausgesuchte Thema besonders kompetent, traute sie sich eher zu, Informationen ohne Kontextkriterien, wie die Nachfrage bei Peers oder eine Google-Suche, als gut oder irreführend zu bewerten. Hier wurde die Information auf Basis von Vorwissen und Erfahrungen bewertet. Die Bewertung orientierte sich also eher an inhaltlichen Kriterien. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass inhaltliche sowie kontext- und formatbezogene Strategien von denselben Personen in Bezug auf ein Thema angewendet werden können. Die beiden Strategien sind also nicht exklusiv und können auch in Bezug auf ein Thema miteinander kombiniert werden. Sie hier getrennt darzustellen, hat vor allem heuristische Vorteile. Im Folgenden sollen erst die kontext- und formatbezogenen Bewertungsstrategien vorgestellt werden, im Anschluss daran werden die inhaltsbezogenen Bewertungsstrategien behandelt.