Inhalt
Informationsraumanalyse- 1. Einleitung
- 2. Informationshandeln in medialen und sozialen Informationsräumen
- 3. Sampling, Methodik und Methoden
- 4. Dynamiken der Informationsräume junger Menschen
- 5. Informationshandeln von jungen Menschen
- 6. Junge Menschen und ihr Umgang mit Desinformationen
- 7. Handlungsempfehlungen für die Arbeit gegen Desinformation
- Literaturverzeichnis
Diese explorative Studie ist im Rahmen des Projekts „Isso! Jugendliche gegen Desinformation“ entstanden. Für die Arbeit gegen Desinformation wurde die Perspektive gewählt, näher darauf zu schauen, wie sich junge Menschen in ihren mediatisierten Sozialräumen zu für sie wichtigen Themen informieren. Grundlegend war die Annahme, dass junge Menschen in ihrem Medienhandeln in der Regel nicht gezielt nach Desinformationen suchen, sondern eher die für sie wichtigen Medien in ihren jeweils alltäglichen Routinen nutzen, um sich über lebensweltlich relevante Themen zu informieren. Desinformationen begegnen ihnen im Kontext dieser Mediennutzungsroutinen. Ob sie ihnen auffallen, hängt u. a. davon ab, ob sie von der (Des-)Information irritiert werden, das heißt, dass sie bspw. ihre Aussage nicht einordnen können, sie ihren Werteinstellungen widerspricht oder in ihrer Machart nicht ihren Kriterien für gute Information gerecht wird. Ziel war es deshalb, mehr darüber zu erfahren, wie sich junge Menschen mithilfe der unterschiedlichen von ihnen genutzten Plattformen und auch der für sie wichtigen Interaktionspartner*innen informieren. Ein wichtiger Ausgangspunkt für das Erkennen von Desinformation war somit der Umgang junger Menschen mit Informationen an sich. Um diesen Fokus zu fassen, wurden die Begriffe Informationsraum und Informationshandeln in die Fachdiskussion eingeführt (vgl. Kap. 2). Beide Begriffe wurden anschließend mithilfe empirischer Daten aus den Leitfadeninterviews (vgl. Kap. 3) mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen beschrieben. Auf Basis dieser Ausführungen (Kap. 4–6) soll dieses letzte Kapitel medienpädagogische Handlungsempfehlungen für die Arbeit gegen Desinformation herausstellen.
Dimensionen von Medienkompetenz in der Arbeit gegen Desinformation
Ein wichtiger Handlungs- und Zielkorridor medienpädagogischen Wirkens ist die Medienkompetenzförderung. In klassischen Modellen wurde Medienkompetenz abgeleitet von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für kommunikative Kompetenz entscheidend waren (Baacke 1996). Medien sollen Mittel und Mittler sein, um sich über die Gesellschaft zu informieren, aber auch um diese entsprechend der eigenen Präferenzen mitzugestalten (vgl. Schorb 2008). Im Projekt Digitales Deutschland werden hierfür sechs verschiedene Dimensionen von Medienkompetenz unterschieden (Digitales Deutschland 2020, S. 5f.). Mit Blick auf die Diskussion der Datenerhebung in den Kapiteln 4–6 wird deutlich, dass beim Thema Desinformation alle Dimensionen relevant sind, aber die affektiven und sozialen Dimensionen besondere Aufmerksamkeit erfordern.
- Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Sie bezieht sich vor allem auf Medien- und Problemlösungskompetenzen, hier sind Medien Mittel für subjektive Zwecke.
- Kognitive Dimension: Sie beschreibt Wissensbestände und Fähigkeiten der Suche, Auswahl und Bewertung von Informationen, die über Medien rezipiert werden.
- Affektive Dimension: Sie beschreibt das Ausmaß, in dem die Mediennutzung zur Stimmungsregulierung genutzt werden kann, aber auch, wie auf Stimmungen reagiert wird, die durch Mediennutzung erzeugt werden. Beim Thema Desinformationen ist vor allem der Umgang mit emotionalisierenden Inhalten eine besondere Herausforderung.
- Kreative Dimension: Verbunden mit der Bedienung von Medien und der eigenen Produktion von Inhalten sind kreative Prozesse, die durch Medien einen Ausdruck bekommen und auch gefördert werden können.
- Soziale Dimension: Interaktive (soziale) Medien verbinden Menschen, sie schaffen Gemeinschaft. Sie zu nutzen und mit ihren sozialräumlichen Konstellationen umzugehen, erfordert auch soziale Fähigkeiten bspw. der Kollaboration, Empathie oder Konfliktlösung. Da Desinformationen häufig auch mit diskriminierenden Narrativen verbunden sind, besitzt die Sensibilisierung für soziale Auswirkungen des eigenen Informationshandelns eine besondere Relevanz.
- Kritisch–reflexive Dimension: Hier geht es um klassische Medienkritikfähigkeit, wie sie schon Baacke beschrieb, aber auch um ethisch-moralische Abwägungen bei der Nutzung von digitalen Plattformen, bei denen aktuell weiterhin Handlungsunsicherheiten bestehen, weil den User*innen oftmals nicht deutlich wird, wie ihre Algorithmen im Detail funktionieren (Reißmann/Bettinger 2022).
Die sechs Dimensionen sind nicht trennscharf und ihre Förderung vollzieht sich nicht exklusiv, sondern in Kombination und verstärkend. Zum Beispiel braucht es instrumentelle Fertigkeiten und kognitiv verfügbares Anwendungswissen, um kreativ mit Medien arbeiten zu können, wodurch gleichzeitig Reflexionsprozesse in Gang gesetzt werden können. Die Differenzierung der Dimensionen ist jedoch hilfreich, um das breite Spektrum an Fähigkeiten und Fertigkeiten beschreiben zu können, mit deren Hilfe besonders in mediatisierten Sozialräumen ein souveräner, genussvoller und gleichzeitig kritischer Umgang mit Medien möglich wird. Im Weiteren soll für die einzelnen Dimensionen beispielhaft herausgestellt werden, inwiefern sich auf Basis der erhobenen Daten Bedarfe für die medienpädagogische Arbeit abzeichnen. In Verbindung dazu wird auf im Projekt Isso! entstandene Methoden verwiesen, mit denen die beschriebenen Bedarfe in der Praxis angegangen werden können.
Faktenchecks zum Selbermachen
In einer breit angelegten Literaturauswertung zu Studien über Projekte gegen Desinformation stellen Carolin-Theresa Ziemer und Tobias Rothmund heraus, dass die große Mehrzahl (62 Prozent) der untersuchten Projekte mit Ansätzen zum Faktenchecken arbeitet. Bei diesen geht es darum, dass Inhalte in sozialen Medien über verschiedene Formate und Verweisstrukturen als desinformativ markiert werden. In der Medienbildung werden Faktenchecks auch genutzt, mehr noch geht es aber darum, junge Menschen selbst zum „Checken“ von Informationen zu befähigen. Medienkompetenzförderung in diesem Sinne beschreiben Ziemer/Rothmund als „boosting“, etwa 15 Prozent der Projekte sind darauf ausgerichtet (Ziemer/Rothmund 2024, S. 4f.). Gefördert werden dadurch vor allem die kognitive Dimension von Medienkompetenz und auch die instrumentell-qualifikatorische, wenn es bspw. darum geht, eine Bilderrückwärtssuche selbst durchzuführen.
Um jungen Menschen zu ermöglichen, Anlaufstellen für Faktenchecks kennenzulernen und auch selbst Techniken auszuprobieren, mit denen sie Fakten überprüfen können, wurde im Projekt Isso! die sogenannte „Klammermethode“ für die offene Jugendarbeit entwickelt. Diese besteht aus unterschiedlichen Vorlagen, die auf DIN A4 ausgedruckt werden und im Jugendtreff mit Klammern an eine Leine gehängt werden können. Die einzelnen Ausdrucke zeigen jeweils eine Information, bei der gefragt wird, ob diese „real“ oder „fake“ sei, und die Jugendlichen werden aufgefordert, ihre Bewertung mittels einer Klammer an die jeweiligen Ausdrucke zu heften. Um die Information besser einschätzen zu können, gibt es auf dem Ausdruck mit QR-Codes verlinkte Hinweise, die bspw. zu den Adressen von Faktenchecks führen, zur Bilderrückwärtssuche oder zu Erklärvideos. Auf diese Weise werden sowohl Zugänge zu unterschiedlichen Informationsmöglichkeiten als auch konkrete Techniken vermittelt, selbst eine Information zu überprüfen.
Informationsräume junger Menschen (mit-)gestalten
Dass junge Menschen soziale Medien als Informations- und Nachrichtenquellen nutzen, zeigen verschiedene repräsentative Studien (vgl. Behre et al. 2023; Feierabend et al. 2023). Wie die unterschiedlichen Plattformen in Bezug auf einzelne Themen von jungen Menschen genutzt werden, konnte mithilfe der Informationsraumanalyse herausgearbeitet werden (vgl. Kap. 4). Die Auswertung der Informationsräume zeigt, dass neben den sozialen Medien auch soziale Bezugsgruppen/-personen für das Informationshandeln der jungen Menschen eine wichtige Rolle spielen. Bei stark jugendbezogenen Themen (z. B. Gaming, Anime) sind dies vor allem Peers, bei stärker gesellschaftspolitischen Themen, die für alle Altersgruppen relevant sind, oftmals auch die eigene Familie und die Schule (z. B. Rassismus, Corona). Neben dem Lebensweltbezug der besprochenen Themen wurde deutlich, dass die Informationsräume auch mit der Bearbeitung entwicklungsbezogener Aufgaben des Heranwachsens verbunden waren (z. B. Kap. 4.2, 4.4). Im vorliegenden Sample betraf dies vor allem die Auseinandersetzung mit Fragen von Gender und Sexualität. Content in sozialen Medien, der sich mit diesen teilweise sehr persönlichen Themen auseinandersetzt, kann schnell auch emotionale Reaktionen triggern. Es ist deswegen wichtig, die affektive Dimension von Medienkompetenz in Bildungsarbeit zum Informationshandeln miteinzubeziehen und die Konsequenzen der eigenen Positionierung bei entwicklungsrelevanten Themen kritisch zu reflektieren.
Für die medienpädagogische Arbeit bspw. in der offenen Jugendarbeit kann sowohl die Relevanz von Interaktionspersonen für einzelne Themen als auch die Bedeutung der Informationsräume für die Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben als Einladung angesehen werden: Zum einen für die Erstellung eigener Accounts und von eigenem Content in sozialen Medien durch Akteur*innen der Jugendarbeit und zum anderen dafür, kontinuierlich Gesprächsangebote zu medialen Inhalten und mit ihnen verbundenen Themen zu unterbreiten. Ein Beispiel dafür ist die in Isso! entstandene Methode „Instagram-Quiz: Fake oder real oder Meinung“. Die Methode bietet die Möglichkeit, auf den Instagram-Accounts von Einrichtungen der Jugendarbeit im Story-Format gezielt Themen anzusprechen, die die Fachkräfte gerne mit ihrer Zielgruppe besprechen möchten. Dafür werden einzelne Informationen aufbereitet und die Teilnehmenden sollen entscheiden, ob es sich dabei um ein Fake, die Wahrheit oder eine Meinung handelt. Die Auflösung des Quiz erfolgt noch in der Story, auch wird eine Erklärung für die Auflösung präsentiert.
Vertieft werden das gesetzte Thema oder die einzelne Information anschließend im persönlichen Gespräch im Jugendtreff. Hierfür kann niederschwellig danach gefragt werden, wie viele Antworten eine Person richtig hatte oder ob sie das Quiz schon gesehen habe bzw. vielleicht mal machen wolle. Auch können Ausdrucke mit QR-Codes zum Quiz an der Theke ausgelegt werden, um die Jugendlichen live zu involvieren. Auf diese Weise lässt sich das eigene medienpädagogische Angebot in die digitalen Informationsräume junger Menschen bringen. Es können aber auch gezielt und regelmäßig Gesprächsangebote in Bezug auf das Medienhandeln der Zielgruppe gemacht werden. Ausgehend von Gesprächen über das Quiz oder den eigenen Kanal lassen sich weitere Medienerfahrungen ansprechen. Je nach Quiz-Thema können auf diese Weise unterschiedliche Dimensionen von Medienkompetenz bearbeitet werden: Bei kontroversen Themen kann es bspw. um die affektive oder die kritisch-reflexive Dimension gehen, z. B.: Wie gehe ich mit Themen um, bei denen es schnell emotional wird? Warum können auch andere Perspektiven angemessen sein?
Unterschiedliche Bewertungskriterien für Informationen (weiter) fördern
Mit Blick auf die Informationsräume junger Menschen wird deutlich, aus wie vielen unterschiedlichen Quellen sie sich informieren und welche Relevanz die eigenen Bezugspersonen jeweils besitzen. In ihren Informationsräumen kommen junge Menschen mit Desinformation in Kontakt, die große Mehrzahl der Beiträge ist jedoch nicht desinformativ im engeren Sinne. Viel häufiger begegnen sie Meinungen, Verkürzungen, Zuspitzungen oder emotionalisierenden Beiträgen (vgl. Kap. 6.3). In den Kapiteln 5.2–5.2.3 wurde ausgearbeitet, anhand welcher Bewertungskriterien sich junge Menschen in diesem Kontext orientieren. Ein besonderer Stellenwert kommt hierbei dem Meinungsklima zu (kontextbezogene Kriterien), aber auch Kriterien dafür, ob ein Beitrag als qualitativ hochwertig wahrgenommen wird (formatbezogene Kriterien). Sowohl kontextbezogene als auch formatbezogene Kriterien sind jedoch für sich genommen nicht besonders verlässlich: Das Meinungsklima kann online manipuliert werden und problematische Akteur*innen können sehr professionelle Beiträge in den unterschiedlichsten Formaten produzieren. Es ist deswegen eine wichtige Aufgabe für medienpädagogische Bildungsarbeit, mit ihren Zielgruppen zu deren Bewertungskriterien für Informationen zu arbeiten. Denn sie sind die Voraussetzung dafür, dass sich junge Menschen in den diversen medialen Kontexten, aus denen ihre Informationsräume bestehen, orientieren können. Und sie sind auch die Grundlage für das Erkennen von und den Umgang mit Desinformationen.
Als Methode zur Bearbeitung dieses Problemfeldes ist im Projekt das „TikTok-Wahrheitsbarometer“ entstanden. Es soll helfen, mit der eigenen Zielgruppe zu den bei ihr vorhandenen Bewertungskriterien für Inhalte aus sozialen Medien ins Gespräch zu kommen. Die Methode wird in einer kleinen Gruppe durchgeführt. Praktisches Ziel der Methode ist, dass jede*r der Teilnehmenden unterschiedliche TikToks entlang eines Spektrums von „Glaube ich total“ und „Glaube ich gar nicht“ einordnet. Im Anschluss wird zuerst über die TikToks gesprochen, die die Teilnehmenden unterschiedlich eingeordnet haben. Ziel ist, dass sich die Teilnehmenden gegenseitig erklären, warum sie die einzelnen TikToks für eher glaubwürdig hielten bzw. warum eher nicht. Dabei nennen die Teilnehmenden ihre Kriterien für „gute“ oder auch „schlechte“ Informationen und können über diese in den Austausch gehen. Durch die Auswahl der TikToks können hier gezielt einzelne Aspekte thematisiert werden, die den Fachkräften wichtig sind. In der Projektpraxis stellte sich bspw. heraus, dass einzelne Jugendliche TikToks besonders glaubhaft fanden, die mit Statistiken argumentierten, oder auch solche, bei denen die Aufnahmen weniger professionell aussahen. Während die Verwendung von Statistiken für Expert*innenwissen sprach, standen bspw. die verwackelten Aufnahmen für Authentizität und hohen Wahrheitsgehalt. Mit jungen Menschen über diese Bewertungen in einen Dialog zu kommen, ihre Verlässlichkeit und auch ihre Grenzen zu diskutieren, regt Reflexionsprozesse an und ist ein Austausch zu ihrem lebensweltlichen Medienhandeln, der in Schule und Freizeit besonders in Bezug auf Inhalte aus sozialen Medien eher selten stattfindet.
Affekte und soziale Dimensionen von Medienkompetenz (vertiefend) bearbeiten
Die vorliegende Studie beschreibt die auf ein spezifisches Thema gerichtete Nutzung von unterschiedlichen digitalen Plattformen, von Massenmedien und den Austausch mit dem sozialen Umfeld darüber als Informationsräume. (Informations-)Räume entstehen durch Interaktion, ermöglicht werden sie aber durch soziale Bezüge – genauso wie Interaktionen diese wiederum in immer wieder neuen Formen ermöglichen. Die Lebenswelt junger Menschen wird durch die Entwicklung, dass viele soziale Bezüge in und über Medien zustande kommen, fortlaufend mediatisiert.[1] Das führt auch dazu, dass sich die Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben für soziales Lernen teilweise in Räume erstrecken, die durch eine „Kultur der Digitalität“ geprägt sind (vgl. Kapitel 1 u. 4).Die Bedeutung der Auseinandersetzung mit Affekten und Emotionen sowie sozialer Dynamiken der Ausgrenzung (Hass im Netz) oder auch des übermäßigen Einbeziehens (love bombing durch problematische Gruppierungen) tritt dadurch auch in Bezug auf mediatisierte Räume verstärkt hervor. Diese Aspekte können mit den oben vorgestellten Methoden thematisiert werden, indem gezielt auf Content-Beispiele für Herausforderungen im Umgang mit Affekten oder sozialen Dynamiken eingegangen wird.
Die Relevanz der affektiven und sozialen Dimension von Medienkompetenz für den Umgang mit Desinformation soll hier besonders betont werden, weil sich in der Arbeit mit jungen Menschen im Projekt Isso! an verschiedenen Stellen zeigte, dass auch diejenigen unter ihnen, die selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht hatten und sehr sensibel in Bezug auf die Abwertungen von Gruppen waren, denen sie selbst angehörten, gleichzeitig teilweise Abwertungen und Diskriminierungen gegenüber Gruppen reproduzierten, denen sie selbst nicht angehörten. Im Sample der Erhebung zeigte sich dies bspw. bei Sebastian, der von transfeindlichen Inhalten getriggert wurde (vgl. Kap. 6.2). Und auch in den Praxisprojekten des Projekts kam es zu problematischen Äußerungen von jungen Menschen, die selbst von struktureller Benachteiligung betroffenen waren, bspw. bei der Diskussion der Protestformen der Letzten Generation oder bei Themen aus dem LGBTQ+-Spektrum. Dass diese Herausforderungen von vielen Fachkräften in der Arbeit gegen Hass im Netz wahrgenommen werden, bestätigen aktuelle Bedarfserhebungen (Bretschneider 2024; Rössler/Schmidt 2024). Soziale Medien werden zunehmend auch zu Räumen, in denen die Dynamik gesellschaftspolitischer Konflikte mit beeinflusst wird. Entscheidend dafür ist bspw., dass die Form der Konfliktaushandlung in digitalen Teilöffentlichkeiten nur schwer kontrollierbar ist. Sachliche Diskussionen werden von Streit und verbaler Gewalt durchbrochen, Auseinandersetzungen werben eher um das Publikum als um die Meinungsänderung des Gegenübers. Es ist eine wichtige aktuelle Herausforderung, auf diese Entwicklungen auch medienpädagogisch reagieren zu können (Materna 2024).
Handlungsunsicherheiten anerkennen und (gemeinsam) bearbeiten
Die Mediatisierung der Lebenswelt (nicht nur) junger Menschen ist in den letzten Jahren rasant fortgeschritten. Neue und zum Teil problematische Dynamiken können von Politik, Wissenschaft und (Medien-)Pädagogik oftmals erst im Nachhinein reflektiert und bearbeitet werden. Die dadurch entstehenden Handlungsunsicherheiten gilt es auch als (medien-)pädagogische Fachkraft anzuerkennen. Es ist schier unmöglich, immer auf dem letzten Stand der Dinge zu sein, jeden Trend und jedes neue Tool zu kennen. Dass junge Menschen den technischen Neuerungen und ihren überwiegend privatwirtschaftlichen Anwendungen mit weniger Skepsis begegnen, als dies viele Fachkräfte tun, ist kein Novum der Gegenwart, sondern hat die Medienentwicklung in den letzten Jahrzehnten geprägt. Es hat sich bewährt, die daraus entstehenden Aufgaben für medienpädagogisches Handeln immer wieder mit Kompromissen zwischen Schutzauftrag und Teilhabeförderung zu bearbeiten. Die Autoren hoffen, mit diesem Text an einigen Stellen Orientierung geben zu können, wie Kompromisse in der Praxis gestaltet werden können. Kontaktieren Sie uns gerne bei Feedback, Fragen oder Anregungen (isso@jff.de).