Tupoka Ogette, eine der bekanntesten deutschen Expert*innen für Antidiskriminierung, nähert sich dem Thema struktureller Rassismus, indem sie aufzeigt, wie ein Großteil der weißen Mehrheitsbevölkerung Rassismus von sich fernhält. Ihre Metapher dafür ist Happyland: „Happyland ist eine Welt, in der Rassismus das Vergehen der Anderen ist. In Happyland wissen alle Bewohner*innen, dass Rassismus etwas Grundschlechtes ist. Etwas, das es zu verachten gilt. Rassismus ist in Happyland enorm moralisch aufgeladen. Rassismus ist NPD, Baseballschläger, Glatzen und inzwischen auch AfD. Es ist Hoyerswerda, Hitler und der Ku-Klux-Klan“ (Ogette 2020, S. 21). Im deutschen Happyland wird Rassismus einerseits weggeschoben, andererseits wird Rassismus in vielen Fällen nicht angegangen, weil die vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Thema das kulturelle Selbstverständnis vieler weißer Menschen stark erschüttern kann. Denn: „Bei Rassismus handelt es sich […] um eine europäische Denktradition und Ideologie, die ‚Rassen‘ erfand, um die weiße ‚Rasse‘ mitsamt des Christentums als vermeintlich naturgegebene Norm zu positionieren, eigene Ansprüche auf Herrschaft, Macht und Privilegien zu legitimieren und zu sichern“ (Arndt 2019, S. 43). Rassismus ist Teil der tradierten Wissensbestände, der Geschichtserzählungen, der eigenen Sozialisation. Und damit ist er zum einen für weiße Personen schwer zu erkennen und zum anderen – wenn einmal erkannt – nur sehr mühsam zu verringern. Drei Erscheinungsformen von strukturellem Rassismus sind Alltagsrassismus, antimuslimischer Rassismus und institutioneller Rassismus, auf die wir weiter unten eingehen werden.

Abbildung 4: Die Relativität der eigenen Positionierung erkennen. Quelle: stournsaeh, adobe.stock.com.

Der Auszug aus Happyland beginnt, wenn sich weiße Menschen der rassistischen Bestandteile ihres Wissens und Verhaltens bewusst werden. Ausgangspunkt dafür ist, dass sie sich mit ihrem Weißsein auseinandersetzen – das heißt mit einer gesellschaftspolitischen Strukturkategorie, die als solche zumeist unsichtbar bleibt. Das ist einerseits paradox: Die Mehrheit der Bevölkerung ist weiß, aber nur wenige weiße Menschen sind sich bewusst, was das für sie und andere bedeutet. Andererseits ist es aber auch gut nachvollziehbar: Denn die politisch und wirtschaftlich privilegierte Mehrheit ist – im Unterschied zu marginalisierten Gruppen – strukturell nicht dazu gezwungen, sich mit den Vor- und Nachteilen ihrer eigenen Positionierung auseinanderzusetzen. Stattdessen markiert sie „die Anderen“, also Menschen, die nicht weiß sind, als von der Norm abweichend und schreibt ihnen bestimmte Eigenschaften zu. Das ist der Grund, weswegen rassismuskritische Sozialwissenschaftler*innen in Bezug auf die weiße Mehrheitsgesellschaft von einem kulturellen Hegemon sprechen bzw. ein unreflektiertes weißes Selbstverständnis als Dominanzkultur bezeichnen (vgl. Foroutan/Hensel 2020; Rommelspacher 1997).[1] Die Mehrheit hat die politische Macht, sie bestimmt, was zur Norm gehört und was als „anders“ markiert wird. Rassistische Marginalisierung basiert somit auf als normal angesehenen, dauerhaft reproduzierten Machtstrukturen. Die Unterscheidungen, mit denen marginalisierte Gruppen markiert werden, unterscheiden sich jedoch: Muslim*innen bekommen andere Zuschreibungen als Rom*nja, Sinti*zze, Jüdinnen und Juden, Chines*innen etc. (DeZIM 2022, S. 20). Deswegen ist es wichtig, rassistische Marginalisierungen gruppenspezifisch zu behandeln, z. B. in Bezug auf antimuslimischen Rassismus.