2.2 Antirassismus nach dem Zweiten Weltkrieg

Florvil argumentiert, dass nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland (vor allem in der Bundesrepublik) ein Umfeld entstand, in dem sich Räume für Diversität öffneten. Es kam mitunter zu einem Austausch zwischen der westdeutschen Bevölkerung und den US-amerikanischen Soldaten, wobei letztere für die Etablierung einer funktionierenden Demokratie und für Freiheitsrechte warben, während sie „immer noch einer Armee dienten, die rassistischen gesetzlichen Vorgaben unterlag und weder ihr Menschsein anerkannte, noch ihren Beitrag zur Kriegsanstrengung honorierte“ (Florvil 2020, S. 35).

Generell war zu beobachten, dass Deutsche in Ost und West den Rassismus im eigenen Land ausblendeten, während dem Rassismus im Ausland – insbesondere in den USA – vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Besuche prominenter Bürgerrechtler wie Martin Luther King Jr. und Ralph Abernathy in den 1960er-Jahren verstärkten das Interesse an dieser Thematik und so begannen auch Deutsche zunehmend, Schritte gegen Rassismus einzufordern (Florvil 2020).

In den 1970er-Jahren entwickelte sich auch an deutschen Hochschulen eine solidarische (sozialistische) Achse, die etwa mit der Black Power-Bewegung sympathisierte. Auch andere Studierende fingen an, länderübergreifend Allianzen zu schmieden, um gegen Rassismus, aber auch gegen den US-Imperialismus zu kämpfen (Klimke 2010, S. 107ff.). Weitere berühmte Stimmen, die Einfluss auf deutsche antirassistische Bewegungen hatten, waren jene von Angela Davis und Audre Lorde, die 1984 an der Freien Universität in Berlin lehrte. Letztere reiste Mitte der 1980er-Jahre durch Deutschland und hielt Vorträge, in denen sie ihren spezifischen „Schwarzen Feminismus, Antirassismus und Internationalismus“ (Florvil 2020) bekannt machte.

Die Summe dieser Mobilisierungen, der durchgehende Aktivismus und das Engagement verschiedener Schwarzer Diaspora-Initiativen bildeten die Grundlage für gegenwärtige antirassistische Bewegungen. Das gilt auch für die Black Lives Matter-Bewegung, die Anfang 2016 gegründet wurde und einen Raum für neue kritische Methoden schuf, die „den sich überschneidenden Formen der Unterdrückung Rechnung tragen, damit die Lebensbedingungen für Schwarze Deutsche verbessert werden können“ (Florvil 2020, S. 37).

Abbildung 3: Black Lives Matter als bekanntestes Beispiel für Widerstand gegen Rassismus. Quelle: AlexanderIO, adobe.stock.com.

Die Ausführungen zu den Ereignissen ab der Zwischenkriegszeit, den Reaktionen darauf und die Beispiele zum Engagement Schwarzer Aktivist*innen und jene zur Ausgrenzung eben dieser sollen insbesondere dazu dienen, das immer wiederkehrende Argument eines „importierten Rassismus“ zu widerlegen. Sie offenbaren ein Bild von Deutschland, das von – zum Teil bis heute wirkenden – kolonialen Kontinuitäten, aber auch von (Schwarzem) antirassistischem Widerstand geprägt ist. Wie die häufig aufkeimenden rassistischen Diskurse über Migrant*innen, Geflüchtete, People of Color oder Schwarze Deutsche zeigen, braucht es diese Form des Widerstands auch heute noch.

Die Möglichkeiten, diesen Widerstand zu organisieren, sind vielseitig. Es ist gleichzeitig auch ein Widerstand, der gesamtgesellschaftliches Engagement und die Entwicklung von Sensibilitäten hinsichtlich dieser Thematiken benötigt. Keinesfalls darf diese Last nur auf dem Rücken von Betroffenen liegen. Dazu braucht es Aufklärung und kritische Reflexion auf sämtlichen Ebenen der Gesellschaft – je früher, umso besser. Grundlage der dafür notwendigen Bildungsarbeit ist die Frage, mit welchen Modellen Rassismus theoretisch gefasst wird. Historisch entwickelten sich verschiedene Modelle von Rassismus und dementsprechend sich teilweise widersprechende Ansätze, gegen Rassismus vorzugehen. Diese Diskussionen darum, was genau unter Rassismus zu verstehen ist, sind bis heute relevant. Im folgenden Kapitel geben wir einen kurzen Einblick.