5.2 Critical Whiteness

Der Critical Whiteness-Ansatz, im deutschen Sprachraum auch als kritische Weißseinsforschung bekannt, will auf die privilegierte Rolle weißer Menschen in der Gesellschaft aufmerksam machen. Die Sonderrolle von weißen Menschen zeigte sich etwa in der Debatte um das N-Wort in Michael Endes Kinderbuchklassiker „Jim Knopf“. Weißes Privileg und die Vormachtstellung des Weißseins zeigte sich in diesem Fall in der Möglichkeit, rassistische Wörter und Beleidigungen in Kinderbüchern beizubehalten und zu ignorieren, dass sich Schwarze Menschen und People of Color dadurch verletzt fühlen.

Ziel der Critical Whiteness ist es aber nicht nur, weiße Menschen auf ihr Weißsein und ihre Privilegien aufmerksam zu machen, sondern auch, die „Figur des Weißen seiner normstiftenden Position [zu] entheben“ (Hyatt 2015). Die Figur des Weißen soll dadurch nicht länger der unsichtbare Maßstab aller Dinge sein. Im Zentrum steht die Aufdeckung unreflektierter Strukturen, die aufgrund von White Supremacy (Weißer Vorherrschaft) produziert wurden und weiterhin ständig reproduziert werden.

Im schulischen Kontext ist es von großer Bedeutung, dass sich Lehrer*innen, Pädagog*innen, Bildungswissenschaftler*innen, Hochschul-Professor*innen und Politiker*innen über die Vorherrschaft weißer Perspektiven und Strukturen im Bildungswesen bewusst werden. Lehrkräften kommt dabei insofern eine besondere Rolle zu, als dass sie eine Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche übernehmen und diejenigen sind, die den Unterricht gestalten. Sie wählen nicht nur die Themen aus, sondern auch die Materialien, Bücher und Filme, mit denen Schüler*innen arbeiten. Tun sie dies stets aus einer unreflektierten, „farbblinden“ Perspektive heraus, so können weder die eigenen verinnerlichten Vorurteile abgebaut, noch versteckte Rassismen in Bildern, Büchern und Filmen entlarvt und dekonstruiert werden. Die Perspektiven und Lebensrealitäten von Schwarzen Schüler*innen und Schüler*innen of Color können im schulischen Kontext nur gehört und berücksichtigt werden, wenn sich die unterrichtende Lehrperson nicht (mehr) als „Maßstab aller Dinge“ sieht und sich kritisch mit ihrem Weißsein und eigener verinnerlichten Dominanz auseinandersetzt.

Felicia Rose Chavez betont in ihrem Buch The Anti-Racist Writing Workshop: How to Decolonize the Creative Classroom (2021) eindringlich, dass die Dezentralisierung von Weißheit im pädagogischen Kontext ein wichtiges Ziel sein muss: „It’s inmediate, tangible action that disrupts the legacy of white supremacy by changing organizational structures, policies, practices, and attitudes, so that power is redistributed and shared equitably” (Chavez 2021, S. 14).

Empfehlungen

  • Methode zum Erkennen des eigenen Weißseins einklappen

    Die Methode führt grundlegend zum Erkennen, dass es einen Unterschied macht, ob eine Person weiß oder nicht-weiß ist. Es wird sich mit Abwehrreaktionen gegen die Bezeichnung, weiß zu sein, auseinandergesetzt und in Gruppenarbeit auf ein besseres Verständnis von gesellschaftlichen Positionierungen hingearbeitet, die damit zusammenhängen, ob man weiß ist oder nicht. https://rise-jugendkultur.de/material/uebung-3-wie-ich-entdeckt-habe-weiss-zu-sein/

  • Erfahrungsbericht darüber, wie das eigene Weißsein erkannt wurde einklappen

    Unser Autor schreibt über persönliche Momente, in denen ihm bewusst wurde, weiß zu sein, und wie er bis dahin Rassismus verschiedenfach unwissentlich reproduziert hat. https://rise-jugendkultur.de/artikel/kritisches-weisssein/

  • Wie Rassismus sich verlernen lässt einklappen

    Text mit persönlichen Erfahrungen der weißen Autorin über ihre Bildungsarbeit gegen rassistische Diskriminierung mit vielen Anregungen für Fachkräfte, sich mit dem Thema weiter zu beschäftigen.

    https://rise-jugendkultur.de/artikel/versuche-rassismus-zu-verlernen/